Das Recycling von Verpackungen funktioniert in vielen Fällen, ist aber von echter Kreislaufwirtschaft noch weit entfernt, meint Karsten Schröder, Chef des Seminarveranstalters Innoform Coaching GbR, In seinem Beitrag "Das Raumschiff Erde ist vom Nachschub abgeschnitten" fordert er neue Geschäftsmodelle für die Verwendung und Verwertung von Verpackungsabfällen, um einer echten Kreislaufwirtschaft näher zu kommen.
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Das Raumschiff Erde ist vom Nachschub abgeschnitten
von Karsten Schröder
Seit mindestens zu Beginn der 1990er Jahre beschäftigen sich auch Verpackungsunternehmen mit Umweltfragen.
Und was macht die Verpackung mit der Umwelt? Zunächst nicht viel, da eine gewünschte Eigenschaft der Verpackung die Inertheit ist, dass sie also nichts tut. Eine Verpackung soll das Produkt -und die Umwelt - schützen, ohne negativ zu beeinflussen – so steht es im Gesetz.
Der "Konsument“ sieht das anders: Er nimmt Verpackung als störend und als Müll wahr – spätestens wenn der Inhalt verbraucht ist. Doch was machen die Konsumenten mit den leeren Verpackungen? Sie führen diese dem Dualen System oder einem seiner Wettbewerber kostenlos zu. Und obwohl die Konsumenten selbst die Entsorgung vorher bezahlt haben, sammeln und sortieren sie wie die Weltmeister. Konsumenten arbeiten somit kostenlos als Mitarbeiter für den grünen Punkt und seine Marktbegleiter.
Könnte der Handel den Entsorgern diese Geschäft und damit die Marge wegnehmen? Beim Pfandsystem auf Getränkegebinde funktioniert das schon. Hier kassieren die Inverkehrbringer, aber auch der Einsammler gleich mehrfach.
So profitiert der Abfüller von Einwegsystemen, die mit Pfand belegt sind, von rund 3% nicht zurück gegebener Flaschen, für die aber Pfand eingenommen wurde.
Zudem profitiert der besonders viel sammelnde Handel, der viele Flaschen zurück nimmt, da er vom Abfüller die Mehrwertsteuer erhält, die er aber dem Kunden gar nicht gezahlt hat – also Steuergeld von Steuerzahlern.
Das Handelsblatt schreibt: …“Nutzniesser sind Filialketten, wo häufig grosse Mengen an Leergut abgegeben werden, Verlierer dagegen Kioske und Tankstellen“…. (Quelle: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/einzelhandel-millionen-gewinne-durch-einwegpfand-seite-3/3499108-3.html)
Das könnte ein Modell auch für andere Verpackungen werden – denn dann könnte man auch noch den Wertstoff „versilbern“.
Zudem mutmasst das Handelsblatt: …“mancher Lebensmittelverkäufer ist sogar ins Entsorgungsgeschäft eingestiegen.“ Q(uelle: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/einzelhandel-millionen-gewinne-durch-einwegpfand/3499108.html )
Warum wir uns keine Müllentsorgung im klassischen Sinne mehr leisten sollen und dürfen
Menschen sind wie der zurückgelassene Marsianer Mark Watney auf dem Mars. Wir sind dazu verdammt, mit unseren Ressourcen zu haushalten. Nur, dass wir nicht wie Mark nur für uns selber, sondern für alle 7 Mrd. Menschen sowie für Billiarden Tiere und Pflanzen Verantwortung tragen, diese aber weder überblicken, noch annehmen, noch wahrnehmen.
Nicht hat jeder den Roman „Der Marsianer“ gelesen oder den Film gesehen. Es geht in kurzen Worten darum, dass ein scheinbar totes Crew-Mitglied alleine auf dem Mars zurück bleibt – Mark Watney. Er ist aber nicht tot, sondern nur leicht verletzt. Allerdings hat er viel zu wenig Vorräte und auch kein Raumschiff für den Heimweg. Da ergeben sich mehrere Probleme, die rührend, spannend und erschütternd zugleich vom Autor Andy Weirs beschrieben werden.
Für jeden Umweltaktivisten sollte das eigentlich eine Standardlektüre sein. Denn hier versteht man sofort, was es heisst, mit limitierten Rohstoffen zu haushalten und was unter Recycling im weiteren Sinne verstanden werden muss – nämlich echte Kreislaufwirtschaft.
Da wird „Downcycling“ (also das schlechter machen des Werkstoffes durchs Recycling) ganz schnell zum Unwort und aus dem allgemein gültigen Gedankengut verbannt – denn es gibt keinen Nachschub – gar keinen.
Wer sich diesem Gedanken konsequent nähert, kommt auch der Erdenbürger zu dem Schluss, dass Verpackungen einfach zu wertvoll sind, um sie der Umwelt oder den Kräften "freier" Märkte zu überlassen. Der Wertstoff Verpackung entspringt den Erdressourcen und auf diesem Raumschiff Erde gibt es keinen Nachschub
Der Marsianer hat das sofort klar erfasst, als er wieder das Bewusstsein erlangte. Das ebenso klar zu verstehen, ist uns allen so einfach bisher nicht vergönnt gewesen. Deswegen empfehle ich uneingeschränkt die Lektüre des Marsianers für jeden Lebensmittel- und Verpackungsexperten – also für alle Passagiere dieses Raumschiffes Erde, für das es keine Nachschubquellen gibt.
Was bedeutet das konkret?
Mülldeponien darf es - wenn überhaupt - nur temporär geben.
Müll gibt es im weiteren Sinne gar nicht, sondern immer nur Wertstoffe einer möglichst „runden und geschlossenen“ Kreislaufwirtschaft.
Insbesondere Rohstoffe aus fossilen Bodenschätzen wie Öl und Gas neigen sich schrittweise aber schon jetzt merklich dem Ende entgegen (Peak Oil) – die müssen wir so lange es geht bewahren. Sie müssen dem Wirtschaftskreislauf erhalten bleiben.
Zudem sprechen viele vom Peak Soil, den wir schon erreicht hätten. Also den Zeitpunkt von dem an die bewirtschafteten Flächen an Mutterböden abnehmen.
Rohstoffquelle Verpackung – gibt es die?
Verpackungen könnten eine der ersten Objekte sein, um eine echte Kreislaufwirtschaft aufzubauen. Aber was steckt drin in der Rohstoffquelle Verpackungen? Wie kriegen wir das, was vielleicht drin steckt, wieder raus? Das sind genau die Killerfragen, die diejenigen einwerfen, die das Recycling kritisieren, da es nicht wirtschaftlich, nicht sicher und schon gar nicht für Lebensmittelverpackungen geeignet sei. Aber das stimmt nur, solange ein „scheinbarer“ Nachschub“ gesichert ist.
Watney macht aus Raketentreibstoff Wasser für die Zucht seiner Nahrungsquelle Kartoffeln und später wieder aus demselben Wasser Treibstoff. Denn erst braucht er Nahrung – Kartoffeln, die nur mit Wasser wachsen - und danach wieder Treibstoff, um auf das Raumschiff zu gelangen. Also eine vollständige, stoffliche Verwertung in mehreren Phasen bis hin zu finalen „Verbrennung/Verschwendung“, bis uns auch dafür noch etwas Clevereres einfällt. Denn dann ist der Rohstoff endgültig verloren.
Da geht es nicht, einfach auf neue Nachschubquellen wie Wasser- oder Ölreserven in noch nicht entdeckten Landstrichen zu hoffen – auf dem Mars ist eben nur das Wasser, das die Menschen dorthin brachten – zumindest im Roman. Und dann geht es auch mit dem Recycling voran – wenn wir müssen. Wir auf der Erde müssten eigentlich auch – reden aber immer noch drum herum.
Gut klappt das schon mit PET, welches durch Polykondensation immer wieder zu neuem PET „recycelt“ werden kann. So wird aus der Wasserflasche heute in vielen Fällen wieder eine Wasserflasche. Wikipedia spricht von einer Quote von 30% aller PET Flaschen, die einem sortenreinen Recycling zugeführt werden. Das ist sogar wirtschaftlich. Auch wenn dazu etwas Politik und guter Wille nötig waren.
Die Frage, was Verwertbares in gebrauchten Verpackungen steckt – erübrigt sich, da es keinen Nachschub gibt. Wir werden irgendwann das Zeug einfach brauchen, wenn wir kein frisches Öl oder andere Quellen zeitnah finden.
Wer muss handeln?
Immerhin tut sich schon einiges bei einer besseren Verwertung gebrauchter Verpackungen. Und es ist zu vermuten, dass sich bald noch viel mehr tun wird.
Der Handel hat das Thema Nachhaltigkeit seit mindestens 10 Jahren in seine Ziele festgeschrieben. So werden Verpackungen immer dünner und leichter gemacht und leichte Verpackungsarten wie z.B. Beutel & Co boomen. Hingegen nehmen Anteile an schweren Verpackungen ab.
Aber auch die Entsorgung der entleerten Verpackungen treibt den Handel um. Das Geschäft mit den PET Flaschen scheint so attraktiv zu sein, dass nicht zuletzt durch die Discounter ein deutschlandweites Rücknahmesystem quasi über Nacht entstand. Und das bestimmt nicht, weil das alles Umweltschützer sind, sondern weil es sich lohnt und der Anschub der Politik stark genug war, um die alten Umlaufbahnen zu verlassen. Und wenn sich das mit den Flaschen lohnt, die ja kaum einen Materialwert darzustellen scheinen, dann sollte es da noch andere Erlösquellen für Rohstoffe geben?
Daraus könnten Geschäftsmodelle entstehen, an die wir noch nicht zu denken wagen. Der Handel motiviert Verbraucher, nicht nur den PET-Müll, sondern auch andere Wertstoffe wie Handys oder Tragetaschen und Konservendosen nach Entleerung wieder in den Markt zu bringen. Der Handel bräuchte dazu nur seine Wertschöpfungskette etwas verlängern oder, anders ausgedrückt, daraus eine Wertschöpfungswolke machen. Erst verkauft uns der Handel die Verpackungen – zugegeben – meistens mit dem Inhalt, den wir haben möchten – und dann presst er uns die Wertstoffe wieder ab, die wir dann doppelt bezahlen dürfen. Tolle Geschäftsmodelle kann ich mir da vorstellen: Wenn der Handel dann das Packmaterial mit Recyclat vorschreibt, das er selber einsammelt und dann dem Lieferanten günstig anbietet – das ist Kreislauf-Marktwirtschaft, die begeistert. Und das ist nicht ironisch gemeint – das könnte in ähnlicher Form klappen.
Der Handel ist für solche Geschäftsmodelle in der Poolposition. Und nur über vernünftige und/oder funktionierende Systeme schafft man Wandel. Weder Verpackungswirtschaft noch Politik alleine können hier etwas tun – aber alle müssen handeln mit dem Handel.
Weiteres zum Thema finden Sie im Blog
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