Die Schweiz ist Champion beim Recycling.
Das sagen Schweizer Medien, auch Pack aktuell, und zum Teil Verbände und Behörden. «Die Schweiz belegt in internationalen Nachhaltigkeitsrankings regelmässig Spitzenplätze und erreicht als Recycling-Musterschülerin mit einem privatwirtschaftlichen System Quoten, von denen andere Länder in Europa nur träumen können», schreibt zum Beispiel der Wirtschaftsverband Economiesuisse in einer Botschaft zum Abstimmung über die grüne Wirtschaft am 25. September.
Aussagen wie diese stimmt so nicht, sagt dagegen ein «Faktencheck» des Infodienstes Swissinfo.ch (http://www.swissinfo.ch/ger/wirtschaft/fakten-check_ist-die-schweiz-weltmeister-im-recycling-/42433726). In diesem Faktencheck vergleicht die Autorin Geraldine Wong Sak Hoi verschiedene aktuelle Statistiken zu den Recyclingquoten einzelner Länder. Die Statistiken werden teils unterschiedlich berechnet, so die Autorin. Die Vergleichbarkeit sei kaum möglich.
Nicht überraschend ist es deshalb, dass nicht nur die Schweiz den Anspruch erhebt, Recycling-Champion zu sei. In einem Bericht der OECD, der den Recycling- und Kompostierungsanteil in Siedlungsabfall untersucht, sind Deutschland, Südkorea und Österreich die Recycling-Weltmeister. Die Schweiz landete in dieser Betrachtung auf einem respektablen 5. Platz, aber eben nicht ganz vorne. Auch die europäische Statistik Behörde Eurostat kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.
Die Autorin wollte deshalb von Patrik Geisselhardt, dem Geschäftsführer der Recycling-Spitzenorganisation Swiss Recycling wissen, warum sich die Schweiz trotzdem als Recycling-Weltmeisterin fühlt. Die Antwort von Geisselhardt, die er schriftlich in einem Mail gab: "Dank des Verursacherprinzips war die Schweiz eines der ersten Länder, die hohe Recycling-Raten erreichten" (Das bezieht sich auf die Sack-Gebühren, die in den ersten Gemeinden bereits ab den 1990er-Jahren für Müllsäcke erhoben wurden, um Recycling zu fördern.). Geisselhardt schreibt aber auch, es sei eine Tatsache, dass in der Zwischenzeit Deutschland, Österreich und nordische Länder ähnliche Raten erreichen wie die Schweiz.
Unterschiedliche Messmethoden, verschiedene Quoten
Doch auch, dass diese Länder als Champion bezeichnet werden können, ist laut dem Bericht fraglich. Die OECD weist selbst auf unterschiedliche Definitionen von Siedlungsabfällen und Messmethoden in den einzelnen Ländern hin, die die Vergleichbarkeit erschweren.
Das bestätigt auch der zweite befragte Schweizer Experte, Michael Hügi, der Entsorgungsexperte beim Bundesamt für Umwelt. So werde in anderen Ländern die gesammelte Menge der Abfälle in die Recyclingquote einbezogen, auch wenn die eingesammelten Stoffe letztlich nicht verwertet, sondern verbrannt würden. In der Schweiz hingegen werde die Sortierung an der Quelle durchgeführt, in der Regel durch die Konsumenten, so dass die Berechnung auf der Basis von Abfallmaterialien beruht, die tatsächlich für das Recycling geeignet sind.
Diese Unterschiede würden es schwierig machen, ein präzises Ranking nach Recyclingquoten zu erhalten. Um ein klareres Bild von Recycling zu bekommen, schlägt die Europäische Kommission eine Harmonisierung der Berechnungsmethoden vor, die nur jene Abfallmenge erfasst, die in der Endverarbeitung des Recyclingprozesses landet. Aber Verbände aus Ländern, die mit ihren Recyclingquoten gut dastehen, gefällt das nicht. Wie die Autorin Geraldine Wong Sak Hoi schreibt, hat die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW) vor eine Anpassung der Berechnung gewarnt, da diese Änderung in Deutschland zu einer Senkung der Quote auf unter 50% führen könnte.
Der Schweiz könnte das dagegen helfen, im Reinking weiter nach vorne und vielleicht sogar auf die Spitzen-Position vorzurücken.
Wie sieht's aus bei Einzelfraktionen?
Sicher wäre das aber nicht. Die Autorin hat für ihren Bericht nämlich auch verfügbare Daten über die Recyclingquoten einzelner Abfallfraktionen verglichen. Auch hier ist die Schweiz nicht ganz vorne, wie viele vielleicht meinen.
So werde die Schweiz trotz eindrücklichen 96% beim Glas-Recycling gemäss den Zahlen von 2015 des Europäischen Verbandes der Hersteller von Glasbehältern von Dänemark (98%) und Schweden (97%) überflügelt. Das Gleiche gelte für Aluminium-Getränkedosen: Daten, die 2012 vom Europäischen Aluminiumverband veröffentlicht wurden, zeigen, dass einige Länder, wie Finnland, Belgien, Deutschland und Norwegen höhere Quoten erzielen als die Schweiz mit 92%.
Bei den Besten, aber nicht Spitze
Der Bericht kommt deshalb zum abschliessenden Urteil, dass die Schweiz laut vergleichende Recyclingdaten für spezifische Materialien wie Glas oder für die Gesamtheit der reczyklierbaren Materialien, Spitzenplätze belegt, wenn auch knapp. Das Land gehöre zweifellos zu den Vorbildern in Sachen Recycling, aber ganz oben in der Rangliste befinde es sich nicht.
Das Fazit von Geraldine Wong Sak Hoi im Swiss-Info Beitrag laute deshalb: « Diese Rankings sind keine narrensichere Basis für die Suche nach einem sogenannten Champion, solange die Länder unterschiedliche Sammelsysteme und Berechnungsmethoden haben. Solange die Methoden nicht harmonisiert sind, sollten Economiesuisse und andere, anstatt von Weltmeister in Sachen Recycling zu reden, eher festhalten, dass die Schweiz zu den Besten der Welt gehört. Dies könnte niemand bestreiten. »