Industrie 4.0 ist nicht allein grossen Industriekonzernen
vorbehalten. Auch produzierende KMU müssten offensiver auf
Industrie-4.0-Technologien zugehen, würden das vorhandene Potenzial
jedoch nur zögerlich nutzen. Das sagt eine Studie der Firma Agiplan
GmbH. Diese basiert zwar auf einer Erhebung und Umfrage bei
deutschen KMU. Doch auch bei den vom Frankenkurs gebeutelten und
nach Rationalisierungsmöglichkeiten suchenden KMU in der Schweizer
Verpackungs- und Maschinenbauindustrie dürfte die Situation
vergleichbar sein. Über die Studie diskutierten am 26. August rund
250 Besucher der Veranstaltung »Roadmap zur Industrie 4.0« in
Dortmund.
Im Rahmen des Treffens stellten Dr. Jürgen Bischoff von der
Agiplan GmbH, Michael Guth von der Zenit GmbH sowie die Professoren
Dr. Michael Henke und. Dr. Michael ten Hompel vom
Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML die
Ergebnisse ihrer Studie »Erschliessen der Potenziale der Anwendung
von 'Industrie 4.0' im Mittelstand« vor. Anschliessend erörterten
die Autoren Möglichkeiten, vorhandene Technologien anzuwenden und
in Unternehmen zu integrieren.
Vorsichtige KMU
»Wir halten alle Basistechnologien für die vierte
industrielle Revolution in unseren Händen, wir brauchen nur den
Mut, sie endlich in Produkte und Geschäftsmodelle umzusetzen. Auch
aus vermeintlich kleinen Innovationen können riesige Chancen
entstehen. Die Studie zeigt das Potenzial und wir dürfen es jetzt
nicht vergeben«, sagt ten Hompel, geschäftsführender
Institutsleiter des Fraunhofer IML. Sein Institutsleiterkollege
Henke ging noch einen Schritt weiter: »KMU verhalten sich dem
Thema Industrie 4.0 gegenüber noch immer eher vorsichtig bis
reserviert. Dabei ist es für den mittelstandsgeprägten
Wirtschaftsstandort Deutschland von entscheidender Bedeutung, dass
sich die treibende wirtschaftliche Kraft des Landes auf dieses
Thema einlässt - die Potenziale dazu sind auf jeden Fall
vorhanden.«
Die Studie wurde gemeinsam von der Agiplan GmbH, der Zenit GmbH
und dem Fraunhofer IML erarbeitet. Im Auftrag des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ordneten sie erstmals
Industrie-4.0-Technologien nach ihrem Reifegrad ein und glichen sie
mit der Nachfrage in KMU ab.
Vorhandene Daten besser nutzen
Die Vision des volldigitalisierten
Industrie-4.0-Unternehmens liegt laut den Autoren der Studie für
KMU zwar noch in weiter Ferne, erste Umsetzungsschritte können
jedoch gemacht werden. Die Chancen für mehr Wettbewerbsfähigkeit
seien erkannt und einige Technologien bereits marktreif; sie würden
aber noch zu selten eingesetzt. Das gilt vor allem für die Bereiche
Datenverarbeitung und Assistenzsysteme. Daten werden bereits in den
meisten Unternehmen erfasst - sie sind die Grundlage für Industrie
4.0. Doch es wird noch zu wenig Nutzen aus den Daten gezogen.
Assistenzsysteme reduzieren Fehler und steigern die Produktivität.
Solche Systeme könnten in Produktion und Logistik schon angewendet
werden.
Um eine Zusammenarbeit über Bereichs- und Unternehmensgrenzen
hinweg zu etablieren, müssen Unternehmen einen einheitlichen
Informationsaustausch und eine durchgehende Kommunikationsstruktur
aufbauen. Autonome Maschinen und sich selbst organisierende
Prozesse sind bisher nur in Teilanwendungen möglich. Solche
Schrittmacher-Technologien, die sich erst in der Forschungsphase
befinden, spielen in KMU gar keine Rolle.
Die Studie gibt abschliessend Empfehlungen an Forschung, Politik
und Wirtschaft. Forschungsansätze, die neue Geschäftsmodelle und
Wertschöpfungsmuster aufzeigen, indem sie Prozesse entlang der
gesamten Wertschöpfungskette verknüpfen, sollten stärker
berücksichtigt werden.
Die Politik ist aufgefordert, Rahmenbedingungen für Industrie 4.0
zu schaffen, vor allem in der IT- und Rechtssicherheit, der
Qualifizierung von Fachkräften, der IT-Infrastruktur sowie bei
Standards und Normierung. Gleichzeitig sollte sie die KMU
mobilisieren. Kompetenzzentren könnten den Technologietransfer in
die Praxis begleiten.
Um den Anschluss nicht zu verlieren, sollten die Unternehmen eine
aktivere Rolle bei der Umsetzung von Industrie 4.0 einnehmen.
Aktuell sehen die Autoren der Studie Zurückhaltung auf Seiten der
Unternehmen, weil sie sich der Möglichkeiten noch nicht bewusst
sind und vor den neuen Technologien und dem nötigen Know-how
zurückschrecken.